Von
der Linde werfe ich drei Tränen herab und höre auf, mich herunter
zu fragen...
In Teil 1 von meiner „Jenseits der Angst“-Reihe habe
ich erzählt, dass ich für mich feststellen konnte, dass Akzeptanz
etwas sehr, sehr Kraftvolles ist. Mit der Akzeptanz ist das aber
doch auch so eine zweischneidige Sache, deshalb will ich darauf noch
einmal genauer eingehen.
Zu viel Akzeptanz kann nämlich auch gefährlich sein.
Und nicht grundlos kennen wir alle den inneren Widerstand, der sich
in uns aufbaut, wenn uns irgendwer erzählt, wir sollten dies oder
jenes einfach hinnehmen, als unveränderlich akzeptieren. Ich hatte
das zum Beispiel als Teenager immer mit meiner Oma. Und meine Oma war
und ist wirklich eine wundervolle, ganz liebevolle Oma, so ein
bisschen die typische „gute Seele“ ihrer Familie. Und ich als
Teenager war ein ziemlich typischer Teenager, launisch und mit vielem
überfordert, am meisten mit mir selber, und vor allem auch chronisch
unzufrieden mit meinem Leben. Meine liebe Oma hat dann immer
geseufzt: „Warum kannst du denn nicht einfach zufrieden sein?“
Sie hat das natürlich lieb gemeint und sie hatte ja
auch irgendwo recht: Zufriedenheit fühlt sich einfach besser an als
Unzufriedenheit und mir ging es ja mit meiner Unzufriedenheit auch
selber nicht gut. Das Problem war nur, dass ich mich dann irgendwann
schlecht gefühlt habe für meine Unzufriedenheit und mich selber
gefragt habe: „Warum kann ich denn nicht einfach zufrieden
sein?“ Und das war natürlich alles andere als hilfreich und
wir wissen alle, wie gut es funktioniert, sich dazu zu zwingen, dies
oder jenes zu fühlen. Das funktioniert nämlich einfach gar nicht.
Meine Unzufriedenheit war eben einfach da. Sie war eben
der Platz, an dem ich emotional gerade war, und auch das (!) war der
richtige Platz. Auch das kann und darf ich akzeptieren und mir
erlauben. Erlauben finde ich in dem Zusammenhang auch ein schöneres
Wort. Und ich kenne leider so, so, so viele Menschen, die sich ihre
Gefühle nicht erlauben und sich emotional zensieren. Ich selber
mache das auch, vor allem mit Wut. Wenn ich wütend bin, dann geht
bei mir gleich der innere Monolog los: „Naja, deine Wut ist aber
ganz schön selbstgerecht... und kannst du denn nicht Verständnis
für so und so haben...“
Natürlich ist der Sinn der Sache auch wirklich nicht,
dass ich nach zwanzig Jahren immer noch wütend auf beispielsweise
meinen Exmann bin. Damit versaue ich mir nur effektiv selber das
Leben, wenn ich in der Wut stecken bleibe, weil sich eben Wut und
Angst und Unzufriedenheit und Trauer einfach nicht so gut anfühlen
wie Liebe, Freude, Verständnis, Verbundenheit usw.
Trotzdem ist Wut dennoch nichts, was ich mir verbieten
sollte. Keine Emotion ist schlecht. Im Gegenteil: Meine
Unzufriedenheit als Teenager war auch wichtig, sie war ein super
Wegweiser für mich. Hätte ich mich damals gezwungen,
„zufrieden“ zu sein (würde sowas eben überhaupt gehen), dann
wäre ich ja stehen geblieben, dann hätte ich nicht die
Notwendigkeit verspürt, irgendwas zu verändern. Und das war aber
wichtig! Meine Unzufriedenheit wollte mir eben auch einfach sagen:
„Hey, hier, wo du gerade stehst, ist manches noch nicht okay, hier
kannst du noch nicht stehen bleiben, such für dich andere Wege, such
andere Möglichkeiten.“ Wir brauchen mitunter den Leidensdruck,
der durch solche unangenehmen Gefühle wie Trauer, Wut, Angst usw
entsteht, um voran zu kommen. Jedes dieser Gefühle ist ein genialer
Wegweiser für uns.
Wenn ich zum Beispiel Angst davor habe, Leuten zu sagen,
was ich eben zu sagen habe, warum ist das so? Wovor habe ich Angst?
Vor Kritik? Vor Unverständnis? Und warum ist das so? Was macht es
mit mir? Warum fühle ich mich schlecht, wenn mich andere
verurteilen? Will ich ihnen wirklich so viel Macht über mich geben?
Kommt das noch aus meiner Familie? Was habe ich da noch nicht
aufgearbeitet?
Diese Gefühle funktionieren, sobald wir sie uns genauer
ansehen und ihnen erlauben, da zu sein, als Wegweiser für unser
persönliches Wachstum und deshalb ist es nur gut, dass wir sie
haben. Wir dürfen uns erlauben, wütend und beleidigt und
neidisch und unzufrieden und verzweifelt zu sein. Und im
Optimalfall übernehmen wir gleichzeitig auch Verantwortung für
diese Gefühle und nutzen ihr Wegweiser-Potential: Anstatt zu
beschließen, dass ich so und so nicht mehr mag, weil ich vor Neid
auf so und so platze, kann ich mich dann zum Beispiel fragen: warum
bin ich neidisch? Was hat so und so, was ich auch haben will? Und wie
kann ich es mir selber geben, damit ich nicht länger neidisch auf so
und so sein muss?
Aber um an diesen Punkt zu kommen, ja, ist es
unerlässlich, dass ich mir zuerst einmal eingestehe, dass ich
neidisch bin. Und das geht wiederum nur, wenn ich mir erlaube,
neidisch zu sein, wenn ich mir erlaube, den Neid zu fühlen. Solange
ich mir denke „Ich doch nicht! Niemals!“ oder „Nein, das darf
ich nicht. Nein, ich bin es nicht. Nein, ich denke mir das Gefühl
jetzt einfach weg.“, werde ich wohl kaum an den oben beschriebenen
Punkt kommen, an dem ich den Neid auf gesunde Weise auflösen und los
lassen kann.
Auf die Vision bezogen, die ich in Teil 1 (siehe
Blog-Einträge vom Februar) geschildert habe, würde das heißen: Es
geht nicht nur darum, zu akzeptieren, dass ich eben auf dem Baum und
auf der Leiter stehe und da anscheinend noch nicht herunter kann,
sondern ich darf auch akzeptieren, dass ich da nicht sein will, dass
ich mich da erst Mal unwohl gefühlt habe, dass sich etwas in mir
gewehrt hat, dass ich Angst hatte, nicht mehr von dem Baum herunter
zu kommen.
Deshalb eben auch der Satz: „Von der Linde werfe ich
drei Tränen herab und höre auf, mich herunter zu fragen...“ Erst
erlaube ich mir, nicht da sein zu wollen, wo ich bin, erlaube mir,
mich unwohl zu fühlen, Schmerz und Trauer darüber zu empfinden,
dass ich nicht da sein kann, wo ich sein will. Und dann akzeptiere
ich, dass ich eben da bin, wo ich gerade bin und dass das jetzt
gerade auch der richtige Platz ist.
Also wenn ich als Telefonistin gestresst auf der Arbeit
sitze mit drei klingelnden Telefonen und meine Arbeit gerade einfach
nur hasse, dann akzeptiere ich als Erstes meinen Hass und erlaube
mir, gestresst und genervt und wütend und frustriert zu sein. Und
danach akzeptiere ich, dass ich jetzt trotzdem hier bin. Und dann
nehme ich den Hörer ab oder stehe auf und kündige. Zu
akzeptieren, dass ich jetzt gerade hier bin, heißt eben auch nicht,
dass ich akzeptieren muss, dass ich bis in alle Ewigkeit hier zu
bleiben habe.
Inzwischen denke ich auch immer öfter, dass wir
wirklich viel zu viel als unabänderlich akzeptieren. Also so genial
und kraftvoll und befreiend Akzeptanz sein kann, glaube ich
inzwischen nicht mehr, dass wir irgendetwas, auch wirklich nur
irgendetwas (!) als unveränderlich hinnehmen sollten. Wobei es dann
eben paradoxer Weise eben auch oft wieder die Akzeptanz ist, die dann
erst etwas verändert... Zumindest war es ja auch in meiner Vision
so, dass das Bild tatsächlich erst Mal scheinbar unveränderlich
war. Und ich musste erst seine Unveränderlichkeit akzeptieren, um
es dann verändern zu können.
Einen krasseren Fall hatte ich mal mit Zukunftsvisionen,
lief aber nach genau demselben Prinzip ab. Nachdem ich lange Zeit mit
Vergangenheitsaufarbeitung beschäftigt war und so das Gefühl hatte
„Ich bin da jetzt mit dem Gröbsten durch“, ging es dann eben
plötzlich los mit Zukunftsvisionen, die sich auch verändert haben,
aber einige Szenarien kamen immer wieder und zwar waren das meistens
die, auf die ich hätte verzichten können. Da war ich also wirklich
genervt, habe mich gewehrt und war einfach voll und ganz dagegen...
Und auch da war aber der Trick wieder, dass ich die
mögliche Zukunft, die ich gesehen habe und die ich absolut nicht
wollte, einfach akzeptieren musste. Und aber wirklich akzeptieren
musste! Austricksen funktionierte dann leider doch irgendwie nicht so
richtig. Ich musste innerlich wirklich bereit sein, den Weg zu gehen,
den ich vor mir gesehen habe, hätte das eben mein Weg sein sollen.
Und nachdem ich das aber geschafft hatte, wirklich ehrlich zu sagen:
Wenn es sein muss, okay, dann geh ich auch diesen Weg... Tja,
schwuppdiwupp, da war einen Tag später dieses Zukunftsbild weg und
komplett verändert...
Zusammenfassend würde ich also vielleicht die These
aufstellen, dass der „Trick“ mit der Akzeptanz ist: Akzeptiere
das Jetzt, das, was jetzt im Moment da ist, meinetwegen eben auch
das, was jetzt im Moment die wahrscheinlichste Zukunft ist. Und
akzeptiere das Jetzt komplett und ehrlich und kompromisslos
(also keine faulen Ich-tu-mal-so-Tricks, das durchschaut das
Universum leider). Und dann lauf los und ändere es. Falls du es dann
noch ändern musst und es sich nicht schon selber verändert hat :-)
Und dann wirst du es vor allem auch nicht mehr aus einem
Leidensdruck heraus, aus Wut oder Angst oder einem Gefühl von „Es
muss anders werden, sonst... Es kann, darf so einfach nicht sein...“,
ändern, sondern die Änderungen, die du dann noch vornimmst, die
wirst du viel entspannter und gelassener und vertrauensvoller
vornehmen. Und dann kommt auch einfach was Besseres dabei raus :-)
Und nicht vergessen: Schmollen und Wütend Sein und
Hadern und Sich Denken „Universum, du Arschloch“ ist trotzdem
erlaubt... Fühlt sich nur nicht so geil an, ewig da zu bleiben. Aber
wenn ihr gerade da drin seid, genießt auch das :-) Es geht...
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