Das frage ich mich manchmal selber, immer noch, obwohl
ich die Antwort langsam eigentlich in- und auswendig kennen müsste:
Ich konnte noch nie ernsthaft behaupten, dass meine kreativen
Erzeugnisse nichts über mich verraten oder nichts mit mir zu tun
haben. Nur das Ausmaß dessen, wie viel sie eigentlich mit mir zu tun
haben, ist mir oft erst im Nachhinein so wirklich bewusst geworden.
Was unter Umständen manchmal mit einem regelrechten Schock einher
ging... Wie es mein Unterbewusstsein schafft, Dinge aufs Papier zu
bringen, die in meinem Bewusstsein noch gar nicht angekommen sind,
finde ich auch heute noch immer mal wieder ziemlich schockierend.
In Bezug auf „Fearlessness“ ist es aber nicht so
schwer, zu erkennen, was genau das ganze Projekt mit mir zu tun hat.
Die letzten zwölf Monate haben mich in extremem Maße mit meinen
eigenen Ängsten konfrontiert. Mir ist es im letzten Sommer gelungen,
ein Tor zu meinem Unterbewusstsein zu öffnen, hinter dem mich dann
erst Mal ein kleiner, großer Albtraum erwartet hat.
Zum Einen hatte ich im letzten Jahr wirklich mehr
Albträume als je zuvor in meinem Leben. Zum anderen wurde aber auch
die Tagsüber-Welt immer unsicherer, hat sich immer mehr meinen
Traumwelten angenähert, die Realität wurde immer surrealer. Es gab
Phasen, in denen mein Zeitgefühl komplett ausgesetzt hat. Der
gestrige Tag war komplett ausradiert, dafür waren Erinnerungen ganz
klar aus einer Zeit, in der ich sechzehn war oder sogar sechs. Ich
kann mir jetzt annähernd vorstellen, wie beängstigend es sich
anfühlen muss, dement zu werden.
Und ja, ich selber hatte auch ziemlich viel Angst. Ich
habe lange nicht verstanden (und vieles ist auch bis heute noch
schleierhaft und mysteriös geblieben), was mit mir eigentlich
passiert. Ich habe zunehmend die Kontrolle über meine inneren
Prozesse verloren, mein Geist hat sich irgendwie verselbständigt,
ohne mich in seine Pläne einzuweihen. Ich war einfach „anderswo“.
Und hatte ständig Angst, dass die Sicherung irgendwann ganz
durchbrennt und ich komplett den Verstand verliere (was auch immer
das genau heißt, ich sehe „Verrückte“ inzwischen auch ein
bisschen anders als vor meinem eigenen Fast- oder
Ein-Bisschen-Verrückt-Werden).
Und im Grunde habe ich also das ganze letzte Jahr damit
verbracht, darum zu kämpfen, wieder so „furchtlos“ zu werden,
wie ich mir einbilde, dass ich es einmal war. Trotz allem. Trotz dem
Unaussprechbarem und Unerklärbarem.
Deshalb „Fearlessness“.
Ein weiterer Grund, warum ich mein CD-Projekt
„Fearlessness“ genannt habe, ist etwas banaler. Tori Amos lässt
ihren gleichnamigen Song mit der Zeile enden „What were once two
forces joined in Fearlessness“. Ich habe die Zeile aufgegriffen und
in folgender Form an den Anfang von „Parts of me“, Song Nummer
vier auf meinem Album gestellt: „Two forces joined in Fearlessness,
now separated by fear“.
Darüber, was Angst in unseren Beziehungen, anrichtet,
habe ich schon mehrmals geschrieben. Es ist auch immer noch ein
persönliches Thema für mich und wurde deshalb auch eines, wenn
nicht das, Kernelement in der „Fearlessness“-Story.
Auch deshalb „Fearlessness“.
Eine weitere Angst, die ich für „Fearlessness“
überwinden musste, hat damit zu tun, dass ich als mein eigentliches
Medium die Sprache ansehe. Das Schreiben geht mir im wahrsten Sinne
des Wortes leicht von der Hand. Das Wort ist eine Sprache, die ich,
glaube ich zumindest, einigermaßen fließend spreche, Musik
hingegen...?!
Der traurige Aspekt daran, dass ich seit so vielen
Jahren schreibe, ist (neben vielen anderen schöneren und freudigeren
Aspekten) der, dass ich im Prinzip auch seit Jahren gegen mein
eigenes Verstummen anschreibe. Gegen die Stimmen in mir, die mir
nicht erlauben wollen, mich so auszudrücken, wie es mir entspricht.
Gegen meine angelernte Selbstzensur. Gerade im letzten Jahr hat sich
aber ein Schweigen in mir ausgebreitet, das so viel größer und
bedrohlicher war, dass es die Musik brauchte, um die Worte zurück zu
bringen.
Erst in der Verbindung mit Melodien und Rhythmen konnte
ich Worte finden, die sich dem Unaussprechbaren annäherten. Worte
allein wären durch meine Schweigemauern nicht hindurch gekommen,
sondern wären in der Sprachlosigkeit der Extremerfahrung, in der ich
gefangen war, hängen geblieben. Worte allein hätten also diesmal
nicht gereicht.
Was mich wiederum gezwungen hat, mich meinen Ängsten
und Unsicherheiten zum Thema Musik zu stellen. Der Aufnahmeprozess
von „Fearlessness“ war extrem chaotisch. Im Grunde wurde alles
innerhalb einer Woche aufgenommen, in der ich mich auf dem Land
eingesperrt hatte. Einen Großteil der Lieder habe ich nie richtig
eingeübt, sondern einfach spontan irgendwie gesungen. Und noch dazu
war ich in der Aufnahmewoche (im November) ziemlich erkältet.
„Vernünftig“ und „professionell“ war das Ganze
also nicht und ja, es gibt auch einige Fehler auf dem Album, über
die ich mich im Nachhinein ärgere. Gleichzeitig weiß ich aber, dass
„Fearlessness“ genauso entstehen musste, weil es sonst gar nicht
entstanden wäre. Es musste ein „Herausbrechen“ sein, es musste
schnell gehen, sonst hätte ich meine eigenen Ängste und
Unsicherheiten und das Schweigen überhaupt nicht durchbrochen. Und
beim zweiten ähnlichen Projekt werde ich schon viel sicherer und gelassener sein und beim dritten erst recht ;-)
Natürlich gab es einige Menschen, die mir dabei
geholfen haben, diese verhängnisvolle Tür zu meinem
Unterbewusstsein zu öffnen und die Dinge dahinter zu entfesseln. Und
ich nähere mich dem Punkt, an dem ich ihnen dafür dankbar sein
werde. Ein bisschen Zeit braucht es vielleicht noch...
Und natürlich gab es auch viele Menschen, die mir durch
diese Extremkonfrontation mit meinen eigenen Ängsten hindurch
geholfen haben. Auch wenn ein beschissener Nebeneffekt meiner
Sprachlosigkeit in Bezug auf meine Erlebnisse war, dass ich mich auch
die meiste Zeit beschissen allein gefühlt habe. Ich weiß aber, dass
ich das definitiv nicht war, sondern mir so viele verschiedene
Menschen auf so viele verschiedene Arten geholfen haben.
Ich hoffe, dass ich eurer Hilfe, eurem Vertrauen und
eurer Geduld, die ihr mir gegeben habt, gerecht werde und mich wieder
vollkommen hinkriege ;-) Und es schaffe, diese krasse Zeit in etwas
Positives zu transformieren.
Was ich auch weiß, ist, dass ich im letzten Jahr
durchgehend nicht gerade my best self war... Ich habe andere zu
Unrecht mit in mein Drama hinein gezogen und mit meinen Emotionen
überlastet und überfrachtet. Bei ihnen möchte ich mich
entschuldigen und um Verständnis bitten. Ich habe es wirklich
versucht, so still wie möglich zu leiden... und besser habe ich es
einfach nicht hinbekommen.
Was die Danksagungen angeht, gibt es für „Fearlessness“
natürlich auch eine Reihe von Helfern, die das Projekt überhaupt
erst in der Form ermöglicht haben... Allen voran Jason Shaw, ohne
den es die wundervolle Musik, die mir die Worte wieder gegeben hat,
nicht geben würde. Ein großes Danke auch an Jonas Rossner fürs
Mischen meiner Aufnahmen (trotz sowieso schon zu viel Arbeit ;-)).
Und ein fettes Danke auch an mein Schwesterherz Lia, die für das
Cover verantwortlich ist.
Inwieweit das Cover die Story von „Fearlessness“
versinnbildlicht, erkläre ich mal in einem anderen Blog oder Video
(habe ich gerade beschlossen)...
Die komplette Geschichte wird hier erzählt:
https://www.youtube.com/watch?v=9i1Jvz9BhvY
(Englisch)
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