Melusine ist ein weibliches Naturwesen,
eine Wasserfrau. Geschichten von Wasserfrauen und ihren meist
verhängnisvollen Beziehungen zu menschlichen Männern gibt es viele.
Melusine hat also viele Schwestern und ich hätte mein Lied auch
genauso gut Undine oder Loreley nennen können, Melusine klang aber
einfach am besten ;-)
Die Geschichten von den Naturfrauen und
ihren menschlichen Liebhabern verlaufen meist nach dem gleichen
Schema (mit umgedrehten Geschlechterrollen gibt es das Ganze
natürlich auch). Naturwesen und Mensch treffen aufeinander, das
Naturwesen übt eine starke Anziehung auf den Mensch aus, sie kommen
zusammen, meist aber nur, nachdem das Naturwesen dem Mensch eine
bestimmte Bedingung gestellt hat. In Melusines Fall lautet die
Bedingung, dass ihr Mann, Raymond, sie nie beim Baden beobachten
darf. Dieses Tabu wird natürlich gebrochen, die Beziehungen
scheitern, Melusine verlässt Raymond, Undine gibt ihrem treulosen
Gatten den Todeskuss und und und...
Ich habe all diese Melusine-Geschichten
irgendwann vorwiegend als Geschichten der Angst gelesen. In gewisser
Weise sind alle Geschichten von gescheiterten Beziehungen Geschichten
der Angst. In den meisten Überlieferungen des Melusine-Stoffs sind
Angst und Eifersucht die Gründe, warum Raymond das ihm auferlegte
Tabu bricht. Das Fremde, „Nicht-Menschliche“ in ihrem Wesen
beunruhigt ihn. Er misstraut Melusine, fürchtet, sie könnte ihn
heimlich betrügen und „spioniert“ ihr deshalb nach. Als er sie
dann beim Baden in ihrer wahren Gestalt sieht (dargestellt meistens
als halb Schlange, halb Mensch) werden sein Misstrauen und seine
Angst nur größer. Raymond hat im Grunde einfach Angst vor Melusine,
vor ihrem Wesen und dem, was ihm daran fremd ist. Als Naturwesen ist
Melusine auch eine Urgewalt, sie folgt anderen Regeln und Gesetzen,
sie ist in ihrer Tiefe undurchschaubar.
Und diese Angst vor der Tiefe des
anderen, vor seiner Kraft finde ich immer wieder in Beziehungen, auch
in denen zwischen Mensch und Mensch, und diese Angst und die Trauer
darüber, was sie unter Umständen anrichtet, war dann auch meine
Hauptinspiration für „meine“ Melusine.
Ich kenne diese Angst auch aus meinen
eigenen Beziehungen. Ausgesprochen habe ich das „Ich habe Angst vor
dir“ leider nur in den seltensten Fällen. Viel öfter habe ich es
nicht gesagt, habe die Angst hinter Kritik oder Ablehnung verborgen
oder bin einfach auf Abstand gegangen und geflüchtet. Wir reden
selten darüber, wie viel Angst wir eigentlich voreinander haben, wie
oft sie uns auf Distanz zueinander hält und unsere Beziehungen
auseinander reißt. Nachdem ich das „Ich habe Angst vor dir“
einmal wirklich ausgesprochen hatte, hat es nicht lange gedauert und
ich konnte darüber lachen. Ich hatte nämlich gar keinen Grund,
Angst zu haben.
Und eigentlich, meine ich zumindest,
hatte Raymond auch keinen. In den meisten Überlieferungen wird sogar
beschrieben, wie glücklich er mit Melusine war, sie bringt ihm
Reichtum und Ansehen, Kinder haben sie auch einen ganzen Haufen und
und und... Melusine ist also nicht böse, bedrohlich oder eine
Männerverschlingerin.
Melusine (wie ich sie sehe und das ist
natürlich ganz subjektiv) ist einfach eine Urgewalt und sie ist
beunruhigend tief. Ein Grund Angst zu haben, ist das trotzdem nur,
solange man vor seiner eigenen Tiefe zurück schreckt und sich seiner
eigenen Kraft nicht sicher ist. Wenn ich selber eine Urgewalt bin,
dann freue ich mich über die Begegnung mit einer mir ebenbürtigen
Kraft. Nur wenn ich meiner eigenen Kraft, meiner eigenen Tiefe nicht
vertraue, flüchte ich vor Wasserfrauen und Wassermännern und
wünsche mir, dass sie für immer am Grund irgendeines Tümpels
versumpfen und bloß ja niemals die Hand nach mir ausstrecken.
Und da fange ich dann an, Melusine zu
bedauern: Tief zu sein ist nicht leicht, wenn Tiefe Angst einflößt,
eine Urgewalt zu sein kein Spaß, wenn alle, die in Berührung damit
kommen, zurück schrecken... Das ist sicher auch einer der Gründe,
warum ich mir noch lange, nachdem ich „Melusine“ geschrieben
hatte, nicht vorstellen konnte, sie jemals zu singen. Etwas in mir
wollte sie nicht zeigen, wollte sie lieber verbergen, hatte Angst,
mit ihr gleichgesetzt zu werden, ja, ich wollte auf gar keinen Fall
Melusine sein oder zumindest nicht als Melusine gesehen werden.
Verständlich, oder? Wer will schon als eine Frau wahrgenommen
werden, die zwar vielleicht anziehend ist, aber deren Beziehungen
nahezu naturgesetzmäßig immer an ihrem Wesen scheitern müssen und
die als bedrohlich und oft auch böse gilt? Und in Hollywood ist die
verführerische, mysteriöse Frau auch selten dieselbe, die der Held
am Ende heiratet... Arme Melusine.
Jedenfalls hatte ich dann irgendwann
doch das Gefühl, dass Melusine vielleicht einfach einmal zu Wort
kommen sollte, zeigen sollte, wer oder was sie eigentlich ist und
dass sie eben nicht „böse“ ist. Und heute kann ich auch, ohne
mich schlecht zu fühlen, sagen, dass ich selber natürlich auch
Melusine bin.
Dass ich irgendwann angstfrei bin, ist
utopisch. Hoffnung habe ich, dass ich in Zukunft, wenn mir mal wieder
jemand oder etwas Angst macht, einfach daran denke, dass es nur die
Angst vor meiner eigenen Tiefe ist, die mich mal wieder erwischt
hat... Das verhindert zumindest, dass sich die Angst zu Misstrauen,
Vorwürfen, Unterstellungen und Ablehnungen verhärtet. Die Angst
trennt auf einmal viel weniger.
Danke, Melusine (innerhalb und
außerhalb von mir), für diese Erfahrung! :-)
Dass alles, was ich hier geschrieben
habe, meine sehr subjektive Interpretation des Melusine-Stoffs und
eher ein Melusine-Erlebnis-Bericht ist, ist, glaube ich, klar. Wer
sich für das Thema aus literaturwissenschaftlicher Sicht
interessiert, dem kann ich trotzdem ein paar Bücherlein empfehlen:
Stephan,
Inge: Weiblichkeit, Wasser und Tod. Undinen, Melusinen und
Wasserfrauen
bei
Eichendorff und Fouque. In: hg. von Böhme, Hartmut: Kulturgeschichte
des
Wassers.
Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1988, S. 234-262.
Kraß,
Andreas: Meerjungfrauen. Geschichten einer unmöglichen Liebe.
Frankfurt a. M.:
S.
Fischer 2010
https://www.youtube.com/watch?v=ILHzK0FmFfA
I linger in the fountains
woods, the windy heights
I'm a part of nature
You can call me a wild child
I am cyclic, have three faces
Follow only my own rules
Always moving, intuition
Safely looked at from afar
The men they love me
The men can't take me
The men adore me
The men they fear me
I'm instincts, the subconscious
I'm a water with no ground
Can't be singing sweet and lightly
If you don't learn to love my dark
The men they love me
The men can't take me
The men they want me
The men they chain me
And we will reach into the deep
Afraid you'll flee
A price I have to pay
And I'll love you still
Hard to tame, not easy broken
Full of love and life and laughter
Wish to one day meet a lover
who doesn't fear my deepest depths
The men they love me
The men can't take me
The men they hold me
The men run from me
https://www.youtube.com/watch?v=ILHzK0FmFfA
I linger in the fountains
woods, the windy heights
I'm a part of nature
You can call me a wild child
I am cyclic, have three faces
Follow only my own rules
Always moving, intuition
Safely looked at from afar
The men they love me
The men can't take me
The men adore me
The men they fear me
I'm instincts, the subconscious
I'm a water with no ground
Can't be singing sweet and lightly
If you don't learn to love my dark
The men they love me
The men can't take me
The men they want me
The men they chain me
And we will reach into the deep
Afraid you'll flee
A price I have to pay
And I'll love you still
Hard to tame, not easy broken
Full of love and life and laughter
Wish to one day meet a lover
who doesn't fear my deepest depths
The men they love me
The men can't take me
The men they hold me
The men run from me
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