Samstag, 21. Januar 2017

Kostbare Verletzlichkeit

Als ich im November die ersten Bewegungen meines Babys zu spüren begann, brachte mir das eine neue, ungekannte Verletzlichkeit.
Verletzlichkeit nicht in einem negativen Sinne. Vielleicht war es einfach die Verletzlichkeit des Unfertigen, die mit allen großen und besonderen Veränderungen einher geht. Oder auch die Verletzlichkeit des Besonderen.
Und besonders ist das schon... Die Bewegungen meines Babys, dieses neuen, kleinen Menschen, nehme ich wahr als eine Empfindung meines Körpers. "Baby bewegt sich" ist genauso eine körperliche Wahrnehmung von mir wie "mein Magen grummelt" (und am Anfang ist das auch nicht immer so leicht auseinander zu halten ;-)) oder "mein Herz schlägt schnell". Und trotzdem ist dieses Kind, wenn auch momentan noch ein Teil meines Körpers, schon ein eigenes kleines Wesen und hat auch schon eigenen kleinen Körper. Die Ultraschalltermine verraten mir, dass es auch schon ziemlich menschlich aussieht, nur in Miniatur.
Aber noch weiß ich nicht, was für eine Seele mich aus den Augen meines Babys an seinem Geburtstag anblicken wird, wenn unsere körperliche Einheit endet. Vielleicht ist das das Verrückte und Besondere an dieser Zeit: körperlich werde ich meinem Kind nie wieder näher sein als jetzt, eine größere Nähe als unsere körperliche Symbiose jetzt während der Schwangerschaft gibt es nicht und dennoch sind wir uns andererseits noch ganz schön unbekannt, die federleichten Tritte und abendlichen Umdrehungen des Babys sind unsere erste Kontaktaufnahme, eine zaghafte Begegnung vor der Begegnung.
Mit dieser besonderen und wunderschönen Verletzlichkeit einher ging dann schnell das Bedürfnis, die Türen zur Außenwelt mal öfter geschlossen zu lassen. Es passiert hinter diesen geschlossenen Türen, dass ich unbeobachtet, still und für mich allmählich zur Mutter werde. In diesen kleinen privaten Momenten, in denen ich dem Baby nachspüren kann, den stillen Gedanken in mir, die seine ersten Turnübungen begleiten.
Nicht in den Gesprächen über meine Schwangerschaft und das Baby, nicht, wenn ich mit meiner Patin eine Wickelauflage kaufen gehe, mich entscheide, wo ich mein Kind zur Welt bringen will, werde ich plötzlich zur Mutter. Das alles gehört sicher zu meinen neuen Aufgaben und ist Teil der Mutterrolle, aber zuallererst und ursprünglich bin ich Mutter in der Beziehung zu meinem Kind.
Und diese Beziehung wächst und entsteht in der Stille dieser Momente, die einfach uns alleine gehören, in der ich geschützt und ungestört genug bin, um das Besondere dieser Zeit, all die winzigen Veränderungen, diese neue Verletzlichkeit in ihrer Tiefe zu erfahren. 

 

Montag, 13. Juni 2016

Über "Das Geheimnis der Runenmeisterin" Mario Lichtenheldt & Jule Konrad

In den letzten Monaten habe ich gemeinsam mit dem Kinder- und Jugendbuchautor Mario Lichtenheldt am vierten Roman seiner "Moritz und seine Freunde"-Reihe gearbeitet. In diesem Artikel erhält Mario die Gelegenheit, zu erzählen, worum es in "Das Geheimnis der Runenmeisterin" geht, wie unsere Zusammenarbeit zustande kam, welche Themen ihm als Autor am meisten am Herzen liegen und und und...


Lieber Mario, unser Buch „Das Geheimnis der Runenmeisterin“ ist der vierte Teil deiner „Moritz und seine Freunde“-Reihe. Wie hat das Ganze mit Moritz und seinen Freunden eigentlich angefangen?
Angefangen hat alles im Frühjahr 2009. Damals schrieb ich ein paar teils lustige, teils auch nachdenklich machende Geschichten für die Kinderseite der „Ostthüringer Zeitung“, woraus dann 2010 mein erstes Buch wurde.
Dort gibt es zum Beispiel den Gemüsehändler Zwiebelnase, der Moritz‘ Oma aus Versehen seinen Daumen verkauft, den geheimnisvollen schwarzen Doktor, eine düstere Sagengestalt aus meiner Heimat, die im Buch jedoch allerlei Gutes tut und viele kleine Geschichten, die sich am Jahreskreis Frühling, Sommer, Herbst, Winter entlanghangeln – einen gestiefelten Osterhase etwa, die Geschichte vom Kastanien-Karl, eine (ein bisschen) gruselige Halloweengeschichte und eine Tierweihnacht.
Später kam mir der Gedanke, die im ersten Buch gerade 4- bis 5-jährigen Haupthelden Moritz, Anne und Jakob „wachsen“ zu lassen. Also folgte ein zweites Buch – die zeitweise bis zu 6 Protagonisten sind darin 11 oder 12 Jahre alt - und dann ein drittes und nun schließlich „Das Geheimnis der Runenmeisterin“. In den letzten beiden Bänden sind die Freunde zwischen 14 und 15.

                                           Mario Lichtenheldt


Und worum geht es, soweit wir es schon verraten können, jetzt in „Das Geheimnis der Runenmeisterin“? Welchen – vielleicht sogar sehr erwachsenen – Themen müssen sich die Jugendlichen diesmal stellen?
„Das Geheimnis der Runenmeisterin“ ist eine fiktive Geschichte, die in drei unterschiedlichen Zeiten spielt.
Ein Mädchen im Moor... geheimnisvolle Bronzeringe an ihrem Knöchel, beschriftet mit winzigen Runen, die man zwar lesen, deren Inhalt man aber nicht verstehen, nicht entschlüsseln kann…
Ein Toter in Nazi-Uniform, der seltsame Pläne und Dokumente bewacht – immer noch, 70 Jahre nach Ende des 2. Weltkrieges …
Ein fanatischer Stadtschreiber zur Zeit der Hexenverfolgung, der ein junges Mädchen um jeden Preis auf den Scheiterhaufen bringen will – was verbindet sie alle über Jahrhunderte hinweg?
Durch einen Zufall (oder auch nicht) entdecken Moritz, Anne und Jakob einen Weg in die Vergangenheit, von dem Moritz meint, dass es ihn nach Einstein gar nicht geben dürfte. Und dann begegnen sie Menschen, Teenagern wie sie selbst, die vor vielen Jahrhunderten gelebt haben, lernen ihre Bräuche, ihre Kultur, ihre Gefühle, Ängste, ihren Alltag, ihr verblüffendes Wissen, ihre Art von Glücklichsein und manchmal die Tragik ihrer Schicksale kennen. Im Mittelpunkt stehen Fragen wie: Was ist Zeit? Können wir die Zeit beherrschen? Ist unsere schnelle, auf Wachstum und Fortschritt geprägte Zeit wirklich „besser“ und sind die Menschen heute wirklich glücklicher als früher? Was ist das überhaupt: Glück?
Und wie war das damals eigentlich mit der Liebe – und der Lust daran? Ja, „Das Geheimnis der Runenmeisterin“ ist auch eine Liebesgeschichte – über die Grenzen der Zeit hinweg…

                                       Das Moormädchen  
              "...seit dem Fund und seit Jakob die Leiche zum ersten Mal selbst hatte ansehen können,  hat er sich immer wieder vorgestellt, wie das Mädchen wohl ausgesehen haben mag, als sie noch lebte. Ihr toter Körper ist so gut erhalten, dass es gar nicht so unmöglich erscheint, im Kopf ein Bild von ihr zu zeichnen..."


Wie hast du Imba und Hamal, die vielleicht wichtigsten Figuren unseres Romans, gefunden?
Ja, das war auch ganz interessant und auch ein bisschen traurig. Vor vielleicht drei oder vier Jahren habe ich in einer Bahnhofsbuchhandlung für meinen Vater ein Heft des Magazins „GEOEpoche“ gekauft, in dem es um die Germanen geht. Wahrscheinlich hat mein Vater das Heft nie gelesen, denn er starb kurze Zeit später und das Heft landete wieder auf meinem Tisch. Ich fand darin eine kurze Bemerkung über ein mit Runen beschriebenes Stück Holz, darauf der Satz:
 „Liebes wünscht Imba dem Hamal!“ 
Nichts weiter und doch unendlich viel. Nichts ist geblieben von den beiden – außer ihrer Liebe!
Wer waren die beiden? Ein Liebespaar? Oder sich liebende Geschwister, die aus irgendeinem Grund getrennt worden waren?
Ich wollte den beiden etwas zurückgeben, das sie verloren haben – ihre Persönlichkeit, ihr Gesicht, ihre Lebensgeschichte und so begann die Idee von der Runenmeisterin Imba und ihrem kleinen Bruder Hamal Gestalt anzunehmen.

Ab wann stand der Entschluss, den beiden und ihrer Zeit ein ganzes Buch zu widmen?
Nachdem ich 2014 ein sehr dickes Buch gelesen hatte! Mein heute 18-jähriger Sohn hat sich nämlich schon vor Jahren – da war er vielleicht 11 oder 12 – Jakob Grimms „Deutsche Mythologie“ gekauft, weil da vorn auf dem Cover so ein cooler Drache drauf ist. Die Lektüre war ihm dann aber doch zu anstrengend und so hat er mir das Buch zum Geburtstag geschenkt. Und wenn man ein bisschen Interesse für die eigene Geschichte mitbringt, kann man dort wirklich Spannendes und Bemerkenswertes über die fast vergessene Zeit, Religion und Kultur Deutschlands vor der Christianisierung entdecken. Einige Geschichten fanden – teilweise leicht abgewandelt – Eingang in „Das Geheimnis der Runenmeisterin“. 
Man muss dazu wissen: Die Götter und Göttinnen der damaligen Zeit waren voller Leben, hatten Gefühle und liebten sich untereinander – sie existierten im Hier und Jetzt! Sie lehrten die Menschen z.B. eine Art Umweltschutz, die wir wohl nie erreichen werden: Die LIEBE zur Natur! Wir lächeln heute über Naturvölker, reden von Umwelt- und Naturschutz – und meinen, etwas Gutes zu tun, wenn wir die Natur, von der wir zu 100% abhängig sind, etwas langsamer zerstören als noch vor 10 Jahren. Die alten Götter hingegen SIND die Natur, die Geister der Natur. Diese Göttinnen und Götter sind zutiefst menschlich und irdisch (im positiven wie im tragischen Sinne). Sie leben MIT den Menschen und mit jedem Wesen der Natur, nicht über ihnen. Ihr Verhältnis zu den Menschen beruht auf Gegenseitigkeit, nicht auf Abhängigkeit und schon gar nicht auf Lügen. 

                                         Imbas Baum
             "...und seither geht Imba jedes Mal, wenn sie sich unruhig fühlt oder  Sorgen  sie   bedrücken, zu Großmutters Birke, lehnt sich an ihren Stamm, sucht Schutz in ihrem Schatten und lauscht nach Großmutters Stimme. Und manchmal fühlt es sich wirklich so an, als wüchsen unsichtbare Arme aus dem Baum, um Imba tröstend einzuhüllen..."

Wie kam es dazu, dass du mich als Co-Autorin ins Boot geholt hast?
Ja, da gab es vor etwa 8 Jahren einen Literaturwettbewerb in Franken. Gewonnen hat ein damals 17-jähriges Mädchen, das wohl – ich erinnere mich nicht mehr genau – schon damals irgendetwas Mystisches, Geheimnisvolles ausstrahlte. Das Mädchen namens Jule hat dann drei Jahre später auf einen Leserkommentar von mir reagiert und seitdem beobachte ich Deine künstlerischen Aktivitäten mit Spannung, Neugier und großem Interesse und ich muss sagen: Es lohnt sich! Deine Fotos auf Facebook haben dann den Ausschlag gegeben. Das ist Imba! Sie oder keine!

Das Thema Religion - und vor allem auch Religionskritik - zieht sich durch mehrere deiner Bücher. Worum geht es dir dabei? Worauf willst du aufmerksam machen?
Als ehemaliger DDR-Bürger bin ich nicht sonderlich religiös erzogen worden, habe mich aber vor allem als Jugendlicher und junger Mensch sehr für Kirche, Kirchengeschichte und die Bibel interessiert. Mit unserem damaligen Ortspfarrer konnte man richtig gut diskutieren und er war es auch, der mir Kontakt zu kirchlichen Kinderheimen vermittelt hat; ich habe mich damals in der Arbeit mit behinderten Kindern engagiert.
Seit einigen Jahren allerdings sehe ich Religion zunehmend kritisch. So richtig heftig wurde das schließlich 2010, als der massenhafte Missbrauch von Kindern in vorwiegend katholischen Einrichtungen ruchbar wurde. Da war von „kirchlichem Recht“ die Rede – als ob die Kirche ein autonomer Staat im Staate sei! Da wurde vertuscht und gemauert.
Dann die Beschneidungsdebatte 2012 (zu diesem Thema habe ich ebenfalls 2 Bücher veröffentlicht, nachdem der 4-jährige Sohn einer Freundin nach einer solchen eigentlich unnötigen OP gestorben war): Der Rechtsstaat geht vor einem religiösen Ritual in die Knie – oder auf die Knie, wie man will – und erlaubt es, Kindern unnötig Schmerzen und bleibende Verletzungen ausgerechnet an ihren Genitalien zuzufügen, weil ein 99-jähriger Greis vor ein paar tausend Jahren meinte, eine Stimme aus dem Off zu hören, einen Befehl, sich selbst und seinen männlichen Nachfahren das Genital zu häuten! „Irre!“ – würde Moritz dazu sagen.
Im Buch hinterfragt Hamal, ein 12-jähriger Junge, dem unsere Welt völlig fremd ist, den sogenannten „Allmächtigen“ – und der kommt dabei ziemlich schlecht weg. Der Junge zeigt aber auch, wie verblüffend einfach es ist, das System aus Angstmache, moralischer Anmaßung und Erlösungsangebot zu durchschauen.


Was, glaubst du, könnten wir heute von Imba und Hamal und ihren Zeitgenossen lernen? Was lernen Moritz und seine Freunde im Verlauf der Geschichte? Und was darf sich der Leser eigentlich von unserem Buch erwarten: ein fantastisches Abenteuer? Spannung? Romantik?
Was können wir lernen? Na ja, vielleicht, dass die Menschen vor vielen Jahrhunderten genau so menschlich (oder unmenschlich) waren wie wir heute? Dass sie trotz ihres härteren Lebens glücklich waren, vielleicht sogar glücklicher als wir es heutzutage sind? Dass sie in vielen Dingen lebenstüchtiger und unabhängiger waren als wir? Man stelle sich nur einmal vor, jetzt sofort fiele der elektrische Strom für 3 Wochen komplett aus – und das ist nur eine von vielen Abhängigkeiten, in die wir „fortschrittlichen Menschen“ uns tagtäglich begeben! Der 12-jährige Hamal im Buch findet auf Anhieb noch sehr viel mehr davon!
Ein fantastisches Abenteuer ist das „Geheimnis der Runenmeisterin“ auf jeden Fall, wobei natürlich nicht verraten wird, wo die Grenze zwischen Wahrheit und Fiktion verläuft. Spannung hoffentlich und Romantik – oh ja! Wer erinnert sich nicht gerne an das atemberaubende Prickeln der ersten Liebe …?
Das Leben ist schön – auch ohne dickes Konto, Haus, Boot, Smartphone und Mercedes, auch ohne dass man wie ein Herdentier mit anderen im fröhlichen Wahnsinn der Spaß- und Leistungsgesellschaft einher tobt...


Viel Spaß mit "Das Geheimnis der Runenmeisterin"!

                                          Die Runenmeisterin 
                                 „Am Urdbrunnen sitzt sie,
                                  dem einst die Nornen entstiegen.
                                  Die Zukunft sieht sie.
                                  Mit Toten spricht sie…
                                  Zeit ist’s zu raunen
                                  am Urborn Urd.
                                  Ich schaute und schwieg,
                                  lauscht‘ auf der Meisterin Mund…"



Mehr über "Das Geheimnis der Runenmeisterin": https://tredition.de/autoren/mario-lichtenheldt-4837/das-geheimnis-der-runenmeisterin-paperback-78051/
Mehr über Mario Lichtenheldt: http://www.horizont-web.eu/index.htm

Dienstag, 15. Dezember 2015

Weiß gefedert

Du hast nach Pastellgrün und Heilung gerochen
Und deine Arme haben versprochen, 
Mir die schwarzgraurot gekritzelte Vergangenheit
In einem Trostfeuer zu löschen. 
Meine Ängste, stimmverzerrt, 
Hat die Flügel schlagende Stille 
Deines Lächelns hinweg geborgen. 
An mir hängt noch der weiß gefederte Glanz 
Deiner Augen, wenn ich in den Spiegel schaue, 
Vier Schritte entfernt, 
Nachdem du mit deinem Erretter-Duft
Schon eine Weile aus dem nachleuchtenden Raum 
Heraus getreten bist. 
Wo lebt die Erlösung, wenn du fortbleibst?, 
Fragt mich mein Spiegelbild, noch unverschmutzt. 
Die Erlösung, wie von dir gelernt, trägt den Namen: 
Gegenwart. Jetzt. Augenblick. 

                                       by Benjamin Sieber Photography

Sonntag, 1. November 2015

Zeitlos-Raum

 Ein ziemlich alter Text. Geschrieben circa 2009. Aber immer noch vollkommen wahr...

Jeder Mensch hat Zeit-Räume.

Räume mitten in der Zeit, an die er immer wieder zurück kehrt. Räume, die er immer wieder aufschließt, weil er sehen will, was darin ist. Er will vielleicht sich sehen, wie er war, zu einer anderen Zeit. Er will vielleicht einen Menschen wieder sehen, den er einst aus den Augen verloren hat. Zeit-Räume sind Erinnerungsräume.
Und manche Erinnerungen sind den Menschen so kostbar, dass sie die Schlüssel zu ihren Türen immer bei sich tragen. In Form von Fotos in einer Schublade zum Beispiel. Oder in Form von Sätzen, die man sich nur ins Gedächtnis rufen muss, um eine schmerzlich vermisste Stimme noch einmal zu hören.

Es gibt auch solche Zimmer, deren Türen immer offen stehen, weil wir ständig in ihnen ein- und ausgehen. Und manchmal richten wir uns auch häuslich ein in diesen schönen Räumen, in denen glücklicherweise alle Raum-Zeit-Gesetze keine Gültigkeit mehr besitzen, und vergessen dabei unser eigentliches, viel zu karges Zimmer namens Gegenwart mit der hässlichen Aufschrift „Willkommen in der Realität“ an der Tür.

Ja, manchmal lassen wir diese Tür lieber geschlossen und bleiben in unseren Zeit-Räumen.
Mein Zeit-Raum ist weniger ein Zeit-Raum, als vielmehr ein Zeitlos-Raum. Ich habe keinen handfesten Schlüssel für meinen Zeitlos-Raum, außer meinem eigenen Herzen. Wenn dieses Herz wieder einmal zu wild pulsiert und pocht und genauso wenig wie der Flügelschlag eines flatternden Kolibris zur Ruhe kommen mag, dann muss ich es mir einfach aus der Brust nehmen und dieses arme, malträtierte, unvernünftige Ding in seiner Mitte aufbrechen.
All diese unruhigen Gefühle können dann hinfort flattern und die Leere, die kann heraus strömen… Und diese Leere, die sanft wie das Licht aus meinem aufgebrochenen Herzen schwappt, überflutet bald den ganzen Raum, in dem ich stehe, und verwandelt ihn in einen Zeitlos-Raum.

Es gibt dann keine Zeit mehr und auch keinen Raum und ich beobachte mich amüsiert dabei, wie ich in meinem Nirwana herum schwimme. Wie ich reglos dahin treibe, immer zu versinken drohe und mich dann doch immer wieder hoch strampeln muss, raus aus der Leere, rein ins Leben, um mein Kolibriherz noch ein bisschen fliegen zu lassen, bis es wieder so schnell wird, dass seine eigene Geschwindigkeit es zur Aufgabe und zur Rückkehr in die wohltuende Leere zwingt…

Und noch einen Grund habe ich, immer in meinen Zeitlos-Raum der Leere zurückzukehren. Denn nur dort kann ich dir ohne Leid nahe sein. Denn dort, wo ich aufhöre, beginnst du. Und je tiefer ich in meiner Leere versinke, desto mehr lasse ich mein Leben und alles, was mich von dir trennt, zurück. An der Schwelle zur Selbstaufgabe, zur Hingabe an diese Tiefe, diese tiefe Leere wartest du auf mich. Ich werde die Schwelle vielleicht nie überschreiten, aber es ist schön, dich dort stehen und warten zu sehen.
Deshalb vergesse ich so oft die Existenz der Zeit und dämmere in meinem Zeitlos-Raum dahin, eingehüllt in dein schattiges Licht.
Hast du auch einen Zeitlos-Raum? 

                                 Picture taken by Andrea Groh, http://www.andreagroh.com/home/fotografie/

Samstag, 10. Oktober 2015

Unseen Bridges

"Unseen Bridges", mein musikalisches Feenmärchen, ist ab heute erhältlich auf Amazon, iTunes, Spotify usw.: http://www.amazon.de/Unseen-Bridges-Jule-Konrad/dp/B014Q9YRD6/ref=sr_1_2?ie=UTF8&qid=1444541473&sr=8-2&keywords=jule+konrad+unseen+bridges

Die Geschichte (The Story)


The fairytale told on „Unseen Bridges“ begins with a Song meant to stay unsung. While the fairies sing and dance underneath the sea of stars our fairy, the protagonist of this fairytale, dances or even more sings herself right into a crisis. In her words: „as the earth under my foot is moving and sometimes trembling, my heart trembled and bursted out this song, the song meant to stay unsung.“ Why this song shouldn't be sung, we don't learn. But she tells us that even the wood is sad about this song. Also by singing this song she somehow separated herself from her kin, the other fairies, she excluded herself from the world of the fairies. The song meant to stay unsung reaches back into times she and everyone else had wanted to forget. But with singing it's melody again she is right there, transported back into the past and to a long lost love.

Das Feenmärchen, das ich auf „Unseen Bridges“ erzähle, beginnt mit einem Song, meant to stay unsung. Einem Lied, das dazu bestimmt war, ungesungen zu bleiben. Während die Feen singen und tanzen unter dem Meer aus Sternen, tanzt oder eher singt sich unsere Fee, die Protagonistin dieses Feenmärchens, direkt in eine Krise. In ihren Worten: „Wie die Erde unter meinen Füßen sich bewegt und manchmal zittert, so hat auch mein Herz gezittert und dieses Lied ausgestoßen, dieses Lied, das dazu bestimmt war, ungesungen zu bleiben.“ Warum dieses Lied nicht hätte gesungen werden sollen, erfahren wir nicht. Aber sie verrät uns, dass sogar der Wald traurig über dieses Lied ist. Außerdem hat sie sich, indem sie das Lied gesungen hat, von ihrem Volk, den anderen Feen, abgesondert. Sie selbst hat sich aus der Welt der Feen ausgeschlossen. Das Lied, das nicht dazu bestimmt war, gesungen zu werden, reicht zurück in Zeiten, die sie und alle anderen vergessen wollten. Doch indem sie die Melodie erneut singt, ist sie wieder genau dort, in die Vergangenheit zurück transportiert zu einer vor langem verlorenen Liebe.

Lost inside memory and grief she leaves the lands of the fairies and wanders into the realm of human kind. There she's looking for a human lover that left her some time ago. She hopes that with her ability to feel all the frequencies and vibrations in the air and the nature around her she will be able to find him. As she can still sense the vibes that link her to him. And this is also what I mean by Unseen Bridges... In her words: „I can read the language of time and on whatever tree you've laid your hand, you've left a print. Whatever words you said, wind listened to it. Birds will sing the echo of your secrets. Far away you are but my silver feet can cross the Unseen Bridges too and my voice can still touch the untouchable. If I follow your steps they'll bring me back to you.“

Verloren in Erinnerungen und Trauer verlässt sie das Land der Feen und wandert in das Reich der Menschen. Dort sucht sie nach dem menschlichen Liebhaber, der sie vor einiger Zeit verlassen hat. Sie hofft, dass sie mit ihrer Fähigkeit, all die Frequenzen und Schwingungen in der Luft und der Natur um sie herum zu spüren, in der Lage sein wird, auch ihn wieder aufzuspüren. Da sie die Schwingungen noch immer spüren kann, die sie mit ihm verbinden. Und das ist es auch, was ich mit nicht gesehenen Brücken meine... In ihren Worten: „Ich kann die Sprache der Zeit lesen und auf welchen Baum auch immer du deine Hand gelegt hast, du hast einen Abdruck hinterlassen. Was für Worte auch immer du gesagt hast, der Wind hat ihnen zugehört. Vögel werden das Echo deiner Geheimnisse singen. Sehr weit fort bist du, aber meine silbernen Füße können auch die nicht gesehenen Brücken überqueren und meine Stimme kann noch immer das Unberührbare berühren. Wenn ich deinen Schritten folge, werden sie mich zu dir zurück bringen.“ 

 Picture by Liancary

Das Coole an den Feen (What's so cool about the fairies)

Was ich an Feen immer so faszinierend fand, war die Vorstellung, dass sie als Naturwesen mit der Natur um sich herum ganz direkt verbunden sind. Dass sie spüren würden, wie krank oder gesund ein Baum ist, wenn sie nur an ihm vorüber gehen. Dass sie verstehen können, was die Vögel singen. Und als ich die zauberhafte Musik von Derek und Brandon hörte, wusste ich, dass mein nächstes Musikprojekt ein modernes Feenmärchen sein würde. Und die Musik von Derek und Brandon hat es mir leicht gemacht, die Geschichte und die Worte zu finden. Man kann in ihrer Musik wirklich die Feen tanzen hören.

What always fascinated me about fairies was the notion that they as nature-beings have this direct connection with the nature around them. So that they could feel how ill or healthy a tree is, if they just pass him by. That they could understand the messages in the singing of the birds. And while I listened to the enchanting music of derek and brandon, I decided, that my next music project would be a modern fairytale. The music of Derek and Brandon made it easy for me, to find the story and the words. You really can hear the fairies dance in their songs.


Für mich sind Feen auch ganz sicher nicht out. Ich glaube sogar, dass wir Menschen uns auch genauso verbunden mit der Natur und allem um uns herum erleben könnten, wenn wir uns entscheiden würden, die Natur als einen lebendigen Partner zu betrachten, mit dem wir interagieren können wie mit einem anderen Menschen. Was ich auch glaube, ist, dass wir Menschen heutzutage oder vielleicht auch generell große Angst vor wirklicher Verbundenheit haben. Wir haben das Gefühl, dass wir uns in der Grenzenlosigkeit verlieren könnten, die wir empfinden, wenn wir uns wirklich mit etwas anderem verbinden, sei es Mensch, Tier oder Baum. Auch von diesem Unterschied zwischen Feen und Menschen, diesen unterschiedlichen Welten, in denen sie leben, erzählt mein Feenmärchen. Denn was wäre eine Feenmärchen ohne einen menschlichen Liebhaber? Und somit ist die Geschichte, die Unseen Bridges erzählt, dann natürlich auch eine Liebesgeschichte.

For me fairies aren't out or uncool at all. I even believe that we humans could feel connected with nature and anything else around us in the exact same way, if we would just decide to see nature as a living partner, with whom we can interact as with a human partner. I also believe that we humans nowadays or perhaps in general are deeply afraid of true connection. We feel that we loose ourselfes in the boundlessness, that we find, if we truly connect with something, be it animal, human or tree. My fairytale talks about this difference between fairies and humans too, these different worlds, in which they live. For what would a fairytale be without a human lover? And so the story, that is told on „Unseen Bridges“, is a lovestory too of course. 

Picture by Liancary


All music on "Unseen Bridges" is composed by Derek and Brandon Fiechter.
Derek's channel: https://www.youtube.com/user/dfiechter2
Brandon's channel: https://www.youtube.com/channel/UCLLnIcQll56hJ89dDin4UcA
Singing and lyrics are by me.
Follow me on Facebook: https://www.facebook.com/8julibri8
Mixing of the Vocals: Jonas Rossner
Artwork: Liancary (https://www.facebook.com/liancaryart?fref=ts)

The lyrics:

1 Dance of the fairies

Flowers bow for our silvery steps
Our arms waving through the sea of stars
Fireflies whirr through the silent air
diving through the melodies of our songs
My sisters and brothers feet paint the earth
with patterns she's smiling about
Every tree in every wood's dancing with us too

Sing for me, sighs the old oak
Dance with me, whispers a young moonbeam
Sing for me, asks the sad old crow
Dance with me, beggs the wild young firefly

Flowers bow for my silvery steps
My arms waving through the sea of stars
Every tree in every wood's dancing with me too
The air a safe ground for me to stand upon
Sing for me, Dance with me
sigh the oaks, whisper the moonbeams
Sing with me, Dance for me

My songs can make the willows smile
and a cold stone cry
My rhythm is the rhythm of nature
pulsing under my feet
Sing for me, it says
My songs can make the willows smile
and a cold stone cry
They cross space and time
carry the birds on their soundwaves
Sing for me, they say

2 Song meant to stay unsung

Fear is floating through the veils of silent air
As their eyes tell me that with my kin I no longer belong

For my careless lips they sang that song
As the earth under my feet is moving and sometimes trembling,
my heart trembled and bursted out that song
The song meant to stay unsung

His jealousy can't bear to listen
Their jouth can't stand
Even the wood is sad about
this song

Reaching back into times they'd wanted to forget
Reaching back into times I'd wanted to forget
Dangerous to dance with memory
To embrace with a living voice something long gone

My careless lips they sang that song
As the earth under my feet is moving and sometimes trembling,
my heart trembled and bursted out that song
The song meant to stay unsung

His jealousy can't bear to listen
Their jouth can't stand
Even the wood is sad about
this song

Fear is floating through the veils of silent air
As their eyes tell me that with my kin I no longer belong
For my careless lips they sang that song
The song meant to stay unsung
Dangerous to dance with memory
To embrace with a living voice something long gone

3 Green leaves trembling

First you didn't see me watching
hidden behind green leaves of eternal summer
a living veil to hide me in my fragility
First you heard my springbirds singing
but didn't know they were sent by me
Your ears not used to find my voice inside their words

But one day then you've answered with your song
A melody reaching out it's hand
Your eyes starting to look for mine
the green leaves trembling in a gentle, gentle breeze

Show me who I am, you asked
Deep and restless is my human soul
Nameless as the deepest ocean
My fate a sunken ship on it's ground

You sang a song of deepest longing
Longing for yourself, longing for me
And when we first met you said:
Finally I've found the eyes to mirror the soul living in mine

On that day you've answered with your song
I was reaching out my hand
Your eyes finding their echo in mine
the green leaves perishing in a warm, warm wind
Come with me, I sang
You we're reaching out your hand
My eyes finding their mirror in yours
the green leaves hiding us from your world
4 Unseen bridges
Dangerous to dance with memory
To embrace with a living voice something long gone

I can read the language of time and on whatever tree you laid your hand
you've left a print
Whatever words you said, wind listened to it
Birds will sing the echo of your secrets
Far away you are but my silver feet can cross the unseen bridges too
And my voice can still touch the untouchable
If I follow your steps they'll bring me back to you
Levity stumbled when I sang that song
To run from gravity you have to move your feet
So I'm leaving now the lands of eternal dawn
Hidden in mist I'll wander in the realm of human kind

The realm that gave you other names
than those I know and a fate to fulfill
A world where you lived with your kin
Those humans who need a separation
Scary for my kin still living in union
and floating with nature
Hard for us to understand their cold stonewalls

5 Dreamlands

The first night you laid by my side I didn't want to go to sleep
for I'd rather danced on in your dreams
To chase with a smile away every sorrow
trying to invade your dreamlands
in which I'd rather find me a place inside
Where I could forever remain

If you'd stay with me you could escape
the winter planted in the human's fate
If you'd stay with me my eyes would mirror you
undying love everyday for all times

If you'd stay with me every night my voice would sing you to sleep
and guide you through your darker and lighter dreams
If you'd let me I would forever dance on in your dreamlands

6 His grave

Never can you posess something as fragile as the morning mist
hanging on the grass for moments only
Only breaths of it's touch remain
Invisible sounds and the tears on the earth it kissed

Does it remember it was there when it's gone?
Or is the only memory the one in the eyes that still see?
See the world that's now without it?

Why even in the lands of eternal summer always comes a winter?

Grass is bowing while a cold stone is sighing the tale of you
A tale that's been written without my name

7 Boundless gentleness

Stars are smiling colder now
warning me that time will break our summer
Stars are smiling colder now
warning me that soon he'll go

I have to keep me to myself, he said
For nothing else is given us humans in our lives
Than a name, a personality, a fate
You're changing under my hands
to a sighing birch, a laughing fountain
a fleeing bird, the knowing earth
You're like music of nature
Always moving, always echoing
Fading in my hands
yet never changing for me
Never changing into something I could hold

I was looking for my destiny, my name
When I came here for you
Now I'm loosing all of that
in the embrace of your boundless gentleness

I have to keep me to myself, he said
For nothing else is given us humans in our lives
Than a name, a personality, a fate
I need back my bounds to be who I am

Stars are smiling colder now

8 Gravity

When you see us dancing without gravity it's easy to believe that we never shed a tear
When our laughter's pearling through the woods, how can a human think that we know tragedy

When the black birds of parting shadow a future never meant to be
and eternity lies before us lonely as the deepest sea
We're only trying to dance us free of too old memory
We're only laughing away the burden of immortality
And we will still dance with pain when you've fled into the oblivion of your graves

When you see our eyes sparkling both young and wise
It's easy imagined that those eyes everywhere find joy

When the black birds of parting shadow a future never meant to be
and eternity lies before us lonely as the deepest sea
We're only trying to dance us free of too old memory
We're only laughing away the burden of immortality
And we will still dance with pain when you've fled into the oblivion of your graves
9 Forget the lands of dawn

To live in the world of light and dark
You'll have to forget the lands of dawn
Let me take from you the gift and curse of memory
My love, so you can be free of me

Your eyes made a step away
and then a step back to me
Maybe for the last time

Mortal is the human memory
Fading with us into the grave, you said

Your eyes made a step away
and then a step back to me
Maybe for the last time

But how will you live on
when my love for you's erased?
Keeping your memory eternally
while mine's long gone?
I'm not sure that I want to keep this gift, this curse
But don't you need me to remember?
Don't you need me to remember (you)?

10 Beautiful tale

From the cold stone slowly warming under my hand
I looked up to the old trees
And they told me

That you've found a name you liked
and that lives on
In a great story that humans still tell
A hero's tale about a fate to fulfill
A beautiful tale

They told me, how you've smiled when you held your first child
and married your beautiful wife
They told me you were loved and that you loved the world back
Sunlight seemed to like you,
Springtimebirds followed you everywhere

That the light of your eyes didn't break when your hair greyed
and your arm's strength did fall apart
that you were still writing songs, sitting here under the trees
playing for them

They told me, your voice was full of a memory forgotten by your head
That maybe my name didn't live on in tale
But that you needed me to write this beautiful tale
This beautiful, beautiful tale

11 Sing to me

Your hands always touched me like autumn sun
With a warmth that never harmed noone
Your eyes shone in a light never seen in the lands of dawn
And one day then you sang:

May this melody circle around you forever
May my voice kiss your ear when I'm long gone
When death takes away my memory
may one of your springbirds sit on my grave and sing to me

So that your gentleness reaches through the earth
that will bury me one day
Let your love warm the cold stone above my head then
Love me without tears

Your hands always touched me like autumn sun
With a warmth that never harmed noone
Your eyes shone in a light never seen in the lands of dawn

Maybe you're part of this music of nature
I'm dancing within?
Maybe you're still singing to me?
Maybe death can't take you away from me

Your hands always touched me like autumn sun
With a warmth that never harmed noone
Your eyes shone in a light never seen in the lands of dawn
And one day then you sang:

May this melody circle around you forever
May my voice kiss your ear when I'm long gone
When death takes away my memory
may one of your springbirds sit on my grave and sing to me
So that your gentleness reaches through the earth
That will bury me one day?

12 Eternal music

If I'm leaving now the lands of light and dark
to go back into my kin's realm
I carry with me our eternal music

If I close my eyes
your voice wanders back to me
Like a light reaching through
the dark of passing, passing time

When you sleep there under this stone
can you feel my silvery steps?
Am I dancing on in your dreamlands?

Through the laughter of the butterflies
I can recall your summerlike smile
They paint it for me with their wings
And chase away the sadness of my memory



Donnerstag, 8. Oktober 2015

Jenseits der Angst, Teil 5: Ich glaub, ein Universum liegt in meinem Bett...?!

Und überall liebt Violett...

Wenn man über Beziehungen spricht, dann kommt man auch nicht darum herum, über das zu reden, was Beziehungen zu so etwas Wundervollem macht: Ja, genau, die Liebe.
In den letzten Teilen habe ich meistens eher über Liebe gesprochen, indem ich andere Gefühle von ihr abgegrenzt und unterschieden habe, Angst zum Beispiel. Liebe selber zu definieren, ist gar nicht so leicht, und auch zu beschreiben, wie sie sich anfühlt, ist nicht so einfach.
Vor allem, weil es uns, glaube ich zumindest, oft passiert, dass wir Liebe vermischt mit irgendeinem anderen Gefühl empfinden, das eigentlich nicht Liebe ist. Sehnsucht zum Beispiel oder auch selbst Anziehung, beides sind Empfindungen, die oft im Schlepptau der Liebe in unser Leben kommen. Irgendwo habe ich mal den Vergleich gelesen, dass die Liebe wie eine Frau mit vielen Hunden ist. Und die Hunde sind die Gefühle, die in unseren Beziehungen eben ganz oft auftauchen, Sehnsucht und Anziehung sind noch die schöneren, aber da sind natürlich auch Emotionen wie Eifersucht und Verlustangst dabei. Die Liebe selber ist eine stille Dame mit sanfter, leiser Stimme, aber ihre Hunde bellen ziemlich, ziemlich laut. Und wenn auch nur einer der Hunde zu laut bellt, hören wir oft die Stimme der sanften Dame nicht mehr.
Und dann kommt es zu solchen Missverständnissen, dass wir meinen, die Liebe spricht, wenn wir Sätze sagen, wie: „Ich bin eben eifersüchtig/habe Angst dich zu verlieren/vermisse dich so, weil ich dich liebe.“ Und das stimmt aber einfach nicht. Weil ich eifersüchtig bin, bin ich eifersüchtig. Und weil ich noch Angst in mir habe, habe ich Angst dich zu verlieren. Und das ist auch beides absolut okay. Dafür muss sich niemand schlecht fühlen. Hunde dürfen auch laut bellen, aber es sind eben in dem Fall trotzdem die Hunde, die bellen, und nicht die Dame, die so leise spricht oder vielleicht sogar eher singt als spricht.
Bei mir selber hat es einige Beziehungen gedauert, bis ich wirklich einfach mal „nur“ Liebe empfunden habe, bis ich wirklich mal die Stimme der Liebe ganz deutlich gehört habe. Das heißt jetzt nicht, dass ich davor nur lieblose Beziehungen hatte, das nicht, das waren alles tiefe Beziehungen voller Gefühl. Es waren nur einfach immer die anderen Gefühle im Vordergrund, die Sehnsucht meinetwegen oder die Verlustangst, und deshalb habe ich die Liebe selber nur leise und undeutlich durch das Hundegebell hindurch gehört. Sie war da, sie ist immer da, in jedem von uns, aber ich habe sie nie in ihrer reinen Form gefühlt.
Dafür müssen nämlich auch die Hunde leise sein. Solange meine Angst noch bellt oder meine Eifersucht, kann ich die Liebe immer nur bruchstückhaft und verzerrt hören. Spirituell gesehen ist reine Liebe eben einfach eine sehr, sehr „hohe“ Schwingung (ich mag die Unterteilung in hohe und niedrige Schwingungen selber nicht so besonders, weil das mir noch zu sehr besser-schlechter-Denken ist... vielleicht wäre „fein“ auch ein gutes Synonym anstatt „hoch“) und deshalb natürlich auch eine, von der man leicht immer wieder runter fällt und runter gerissen wird. Das ist ganz normal und auch dafür sollte sich niemand schlecht fühlen.
Als ich das erste Mal in diesem Zustand reiner bedingungsloser Liebe war, war das für mich auch definitiv ein Ausnahmezustand. Und trotzdem ist es sogar eine fast ein bisschen lustige Geschichte...
Ich war nämlich nicht irgendwo im Himalaya oder an einem ähnlich klischeemäßigen Ort und bin plötzlich von der Erleuchtung getroffen worden. Ich habe auch nicht meditiert oder dergleichen. „Ausgelebt“ habe ich den Zustand im Prinzip so, dass ich zehn Stunden am Stück Liebes- oder Weihnachtslieder gehört habe. Einfach Musik, in der ich diese Schwingung, auf der ich unterwegs war, wiederfinden konnte, durch die ich sie zelebrieren konnte. Und ich habe erst im Nachhinein realisiert, wie krass das eigentlich war... Ich meine, mehrere Stunden Musik zu hören, ist an sich schon nicht für jeden was, nichts anderes machen, nichts anderes nebenbei tun, einfach nur in der Musik sein. Die Musikliebhaber unter euch kennen das aber bestimmt und wissen, dass das geht. Aber mir ging es trotzdem meistens so, dass ich dann doch nach einer gewissen Zeit einfach den Impuls hatte, irgendwas anderes zu machen. Ich kann relativ lange einfach nur in einer Musik sein, einfach nur die Stimmung und die Schwingung wahrnehmen. Aber irgendwann werde ich dann doch unruhig, habe ein Bedürfnis, irgendwie aktiver zu sein, habe Hunger oder was auch immer...
Also zehn Stunden lang einfach nur in einer Schwingung sein und die durch Musik-Hören wahrnehmen, neee, das hätte ich davor nie geschafft. Und dann eben auch nicht irgendwelche Musik, sondern Hardcore-Liebeslieder und ja, ich gestehe, auch Weihnachtslieder (im Hochsommer)... Und das zehn Stunden lang.
Und es war aber seltsamerweise zu keiner Sekunde anstrengend. Ich hatte nie das Gefühl, dass meine Aufmerksamkeit nachlässt, es waren keine Gedanken oder keine Impulse da, die mich aus dem Zustand raus gerissen hätten. Ich hatte auch nicht mal Hunger. Ich wollte nicht raus. Ich wollte mit niemandem reden. Mein einziges Bedürfnis war wirklich einfach nur, zu fühlen, was ich fühle, und am besten für immer in diesem einfach genialen Zustand, auf dieser wundervollen Schwingung zu bleiben.
Ausgelöst wurde dieser Zustand natürlich schon durch ein Ereignis und durch jemanden, aber in dem Zustand selber dann war das absolut nichts Exklusives mehr. Natürlich habe ich in dem Zustand gerade auch die auslösende Person und meine Liebe und Verehrung zu ihr gefeiert und gespürt, aber irgendwie hat es dennoch die ganze Welt umfasst, zumindest war ich in dem Moment absolut versöhnt mit der Welt. Vom Gefühl her war es so, als hätte die auslösende Person mich auf diese geniale Schwingung hoch gebracht, als würde diese Liebesschwingung eben zwischen uns schwingen, aber ich habe dann nicht nur eine Schwingungsresonanz mit ihr gehabt, sondern mit der ganzen Liebe überhaupt und überall.
Was mir durch dieses lustige und doch auch sehr spirituelle Erlebnis jedenfalls aufgefallen ist, ist, wie wenig Liebe wir im Normalzustand aushalten. Der Normalfall ist ja eher, dass wir nach zwei oder drei Liebesliedern definitiv genug haben, ganz zu schweigen von Weihnachtsliedern... Das kann natürlich schon auch an musikalischen Vorlieben liegen, aber auch in Filmen ist es so, dass viele von uns regelmäßig flüchten, wenn es zu romantisch wird oder das zumindest nicht stundenlang vor Augen haben können. Das ist ja auch nicht unbedingt das Ziel und bei mir hat sich das inzwischen natürlich auch wieder normalisiert, aber ich bin so, so, so dankbar, diesen Zustand kennen gelernt zu haben und ich wäre am liebsten wirklich immerzu da drin.
Wenn ich in einem Zustand reiner Liebe bin, dann ist das einfach ein Zustand, der absolut genial ist. In diesem Zustand bin ich vollkommen furchtlos (der Angst-Hund ist dann ja auch leise), im Frieden und versöhnt. Vielleicht kann man Liebe am besten auch einfach durch Verben beschreiben: Liebe sieht und versteht, sie überwindet spielerisch alle Grenzen und Trennungen, Liebe ist auch ein Zustand vollkommener Freiheit. Liebe befreit auch. Liebe staunt und bewundert und verehrt. Ist dankbar. In dem Zustand bin ich sicher. Heil. Verbunden. Und trotzdem bei mir.
Also zu viel Liebe geht so gesehen nicht, das Gefühl verwandelt mich nicht in ein Opferlamm oder ähnliches. Liebe ist auch völlig unbedürftig. Liebe zu fühlen, fühlt sich einfach so gut an, in dem Zustand brauche ich nichts vom anderen. Liebe fühlen fühlt sich auch noch gut an, wenn das geliebte Wesen gerade eine andere heiratet. Liebe freut sich, betet an, ist absolut kraftvoll. Einfach ein echt krasser und genialer Zustand. Und absolut nicht exklusiv.
Wir kennen den Zustand auch alle noch, nur oft leider nicht in Bezug auf Menschen, mit denen wir Beziehungen haben. Wir empfinden das für eine bestimmte Landschaft, für eine Musik, für so viele Dinge... Wir können alle bedingungslos lieben. Und wir haben uns nie gefragt, ob uns der Wind oder der Ozean oder die wunderschöne Melodie auch liebt, das ist auch völlig unwichtig. Wenn wir vor dem Ozean stehen, dann staunen wir einfach und freuen uns über seinen Anblick, wir würden nie auf die Idee kommen, ihn besitzen zu wollen oder Erwartungen an ihn zu stellen. Und wenn der Wind einmal nicht weht, dann sind wir auch nicht wütend oder vorwurfsvoll. Wenn er das nächste Mal auftaucht, ist er uns genauso willkommen wie letztes Mal, egal, wie lange er verschwunden war. Und wir wissen auch, dass eine Melodie nicht nur uns gehört. Wenn sie auch andere Herzen berührt, stört es uns?
Und so gesehen: Sind die Menschen in unserem Leben weniger als Ozeane? Ist es nicht eigentlich traurig, dass wir einen Ozean bewundern und bestaunen und verehren und bedingungslos lieben können, die Menschen in unserem Leben aber nicht? Ich zum Beispiel könnte mich, glaube ich, gar nicht in jemanden verlieben, wenn ich nicht das Gefühl hätte: „Wow, der Mensch ist mindestens ein Ozean, wenn nicht ein ganzes Universum.“ Und eigentlich sind wir das doch alle, oder?
Und kann ich dann einen Menschen nicht dementsprechend sehen und lieben? Über ihn staunen? Ihn verehren? Dankbar sein? Und voller Freude über ihn? Egal, wo er ist? Ob er gerade neben mir liegt? Oder andere Galaxien durchfliegt?
Und nicht nur würde das einfach dem, was der andere tatsächlich ist, einfach mehr entsprechen und gerecht werden, es macht vor allem mich selber auch einfach glücklicher.
Ich meine, Hallo, wie cool, die Ehre zu haben, immer mal wieder mit diesem riesigen, unendlichen, wundervollen, zauberhaften Universum in Kontakt zu sein, verbunden zu sein mit diesem unermesslich tiefen Ozean! Wie absolut genial!
Und nicht zu vergessen: Ich selber bin natürlich auch ein Ozean, ein Universum, eine Melodie. Wenn deine Melodie also gerade nicht hier erklingt, dann spiele ich meine eigene und wenn es eine Liebesmelodie ist, umso besser.
Und verbunden bin ich sowieso immer und überall, Liebe liebt und schwingt überall. Deshalb: „Es gibt keinen Ort, der nicht dein ist. Es gibt keinen Ort, der nicht du bist. Und überall liebt Violett.“
Warum Violett...?! Das bleibt ein Geheimnis von mir und einer sehr schönen Farbmeditation.
Ich danke euch so sehr fürs Zuhören und heute kriegt ihr passend zum Thema natürlich auch noch ganz, ganz viel Love, Love, Love :-D